Nach Corona braucht es mehr Mut im Asset Management

Thorsten Leischke, Geschäftsführer | VLR Germany GmbH
Schwere Krisen ziehen in der Regel große und langfristige Veränderungen nach sich. In genauso vielen Fällen wirken sie allerdings auch als Trendbeschleuniger. Im Asset Management von Büroimmobilien werden nach der Corona-Krise zwei Dinge deutlich stärker gefordert sein: aktives Engagement und Mut. Schon lange ist ein Trend zu einer stärkeren Betonung des aktiven Asset Managements erkennbar. Dafür gibt es mehrere Ursachen, unter anderem die deutlich gesunkenen Renditen, die neuen technischen Möglichkeiten durch die Digitalisierung sowie steigende Ansprüche vieler Mieter. Dieser Trend zu aktiverem Asset Management wird sich infolge der Corona-Krise beschleunigen und fest verankern.
Für viele Unternehmen und ihre Mitarbeiter verändert sich gerade die Einstellung zum stationären Büroarbeitsplatz. Millionen Bürobeschäftigte in Deutschland und der Welt arbeiten derzeit mehr oder weniger notgedrungen im Homeoffice. Sofern sie dort ungestört arbeiten können, stellen sehr viele dabei fest: Es funktioniert. Oftmals besser als gedacht, manchmal vielleicht sogar besser als im Büro. Nicht nur bei den Arbeitnehmern steigt die Akzeptanz. Auch so mancher Arbeitgeber stellt jetzt fest, dass die Technik in den meisten Fällen funktioniert und sich ein bisschen Vertrauensvorschuss in die Mitarbeiter durchaus lohnen kann. Die Stigmatisierung, die mit dem Begriff Homeoffice einstmals einherging und vereinzelt immer noch geht, weicht einem breiten, beiderseitigen Zuspruch.
Gleichzeitig stellen aber auch viele Arbeitnehmer wie Arbeitgeber fest: Ganz ohne Büro geht es auch nicht. Homeoffice ist nicht das allein seligmachende Arbeitsplatzkonzept. Nach Wochen am heimischen Schreibtisch werden es viele Arbeitnehmer kaum erwarten können, wieder ins Büro zu kommen. Und längst nicht jeder findet Zuhause die nötige Ruhe, um dort jeden Tag konzentriert arbeiten zu können. Die Vorschläge aus der Politik, ein allgemeines Recht auf Homeoffice einzuführen, sind aus Fairness-Gesichtspunkten ein zweischneidiges Schwert – schließlich ist das nicht überall möglich. Doch die Diskussion zeigt: Das Thema gewinnt schlagartig an Relevanz.
Kein Entweder-oder, sondern Sowohl-als-auch
Es geht also nicht um ein Entweder-oder, sondern um flexible Optionen zwischen Büro und Homeoffice. Für den Arbeitgeber stellt sich dann die Frage, ob er überhaupt noch für alle Beschäftigten einen festen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen sollte, wenn ein Teil der Mitarbeiter ohnehin nicht am Platz ist, sondern im Homeoffice, im Urlaub oder krank. Das setzt freilich einen Mentalitätswandel bei den Mitarbeitern voraus: weg vom Territorialanspruch des eigenen festen Schreibtischs hin zu größerer Flexibilität beim Arbeitsplatzverständnis. In vielen Betrieben ist dies bereits zu beobachten, gerade bei jüngeren Beschäftigten. Die technischen Möglichkeiten sind problemlos gegeben – der Cloud sei Dank. Doch wie viele Büroarbeitsplätze beziehungsweise Bürofläche muss der Arbeitgeber am Ende vorhalten? Kaum ein Arbeitgeber kann das pauschal beantworten.
Deshalb werden nach der Corona-Krise flexible und modulare Flächenkonzepte, die mit den Anforderungen der Unternehmen atmen können, mehr denn je gefragt sein. Hier kommt das aktive Asset Management ins Spiel. Künftig wird das Asset Management den Büromietern ermöglichen müssen für kurzfristigen Bedarf zusätzliche Büroflächen oder Meetingräume anbieten zu können oder nicht mehr benötigte Flächen auch wieder abzugeben. Flexible-Workspace als Sammelbegriff, der auch das hippe Coworking beinhaltet, erhält dadurch eine ganz neue Bedeutung. In einem größeren Multi-Tenant-Bürogebäude wird es in Zukunft völlig normal sein, Kapazitäten freizuhalten, damit die Mieter atmen können, und gemeinsam genutzte Infrastruktur vom Empfangs-Service bis zur Cafeteria anzubieten. In diesem Zuge wird sich auch das Coworking vom Hype zur alltäglichen Dienstleistung in gesund geschrumpfter Dimension weiterentwickeln.
Investoren sehen in kurzfristigen Verträgen eher Chancen als Risiken
Mit diesen Entwicklungen wächst die Verantwortung für das Asset Management. Ein aktives Asset Management muss die atmenden Flächen dem Bedarf der Mieter entsprechend verteilen, Leerstand nicht pauschal vermeiden sondern managen, laufend Mietverträge anpassen, laufend mit den Mietern kommunizieren und die sehr viel dynamischeren Entwicklungen im Objekt an die Investoren berichten. Auf 20 Jahre vermieten und die Hände in den Schoß legen wird nach der Corona-Krise eine noch viel weniger zeitgemäße Strategie sein als bereits heute. Aktives Asset Management erfordert deshalb in Zukunft noch mehr Verhandlungsgeschick, noch mehr Engagement und nicht zuletzt mehr Mut: Mut zu offenen Vertragsverhandlungen, Mut zu kurzen Vertragslaufzeiten, Mut zu flexiblen Vertragskonzepten und die Bereitschaft, temporär auch kleinere Leerstände zu akzeptieren und zu managen – denn starre Konzepte werden sich als überholt erweisen.